Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Jugberter Amzeiger. 
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90. 
Volitische Uebersicht. 
* Die Gerüchte über eine im Laufe dieses 
Sommers in Aussicht stehende Drei⸗Kaiser⸗ 
Ju sa min enkunft wollen nicht verstummen. 
rroß eines erst kürzlich von Wien aus erfolgten 
Dementis der bekannten Meldung des „Pester 
dloyd“ von einer angeblich in Ischl stattfindenden 
hegegnung der drei Kaiser wird jetzt auch von 
Herlin aus von privater Seite berichtet, daß diese 
degegnung bestimmt in Aussicht genommen sei, 
salls der Frieden erhalten bleibe. Letzteres wäre 
allerdings die unerläßliche Vorbedingung für das 
Zustandekommen der Entrebue zwischen den drei 
hertjchern und da nach den jüngsten Meldungen 
iͤber den Stand des englisch- russischen Konfliktes 
ie Chancen für Erhaltung des Friedens wieder 
dedeutend gefliegen sind, so dürfte die Nachricht 
hon einer Wiederholung der Kaiser⸗Zusammenkunft 
des vorigen Jahres nicht unbedingt zurückzuweisen 
jein; jedenfalls wäre es aber verfrüht, hieran schon 
weitgehende Kombinationen anknüpfen zu wollen. 
Von conservativer, nationalliberaler und kleri⸗ 
jaler Seite merden zur dritten Lesung der Börsen⸗ 
steuervorlage Abänderungsanträge in der vom 
Reichskanzler angedeuteten Richtung vorbereitet. 
Dieselben sollen die Bedenken bezüglich einer allzu 
lästigen Controlle und einer Erschwerung der 
Wagarengeschaäfte beseitigen und das Arbitrage⸗, na⸗ 
nentlich das Wechselgeschäft besser schützen. Man 
jofft auf diese Weise das Gesetz doch noch zu 
Siande bringen zu können. Die dritte Lesung wird 
joraussichtlich schon am Freitag stattfinden. 
Die langen Berathungen der Arbeiterschußcom⸗ 
nissien des Reichstags sind über die Frage der 
Sonntagsarbeit nicht hinausgekommen und 
wuch mit diesem Punlkte wird das Plenum nicht 
nehr Muße haben sich zu beschäftigen. Die An⸗ 
jelegenheit der Frauen⸗ und Kinderarbeit und der⸗ 
zleichen ist noch kaum in Angriff genommen wor⸗ 
den. Von nationalliberaler Seite wird nun der 
Antrag gestellt werden, vor der gesetzgeberischen 
Regelung dieser schwierigen Frage eine eingehende 
ind sachverständige Enquete über die einschlägigen 
Verhälmisse zu veranstalten. 
— Bremer Briefe bestätigen der „Börsen⸗Zig.“, 
zaß in der gegenwärtigen Vorverhandlung wegen 
det Dampfersubvention die Entscheidung zu Gunsten 
Bremens resp. des Norddeutschen Lloyds hin⸗ 
uneigen scheine. Die Frage wegen des Anlaufens 
der Schiffe darfte voraussichtlich zu Gunsten Rot— 
erdams enischieden wecden, trotzdem noch in 
Angster Zeit sehr schwerwiegende Gründe zu Gunsten 
Antwerpens beigebracht wurden. Wie die „Nat. 
Ztg.“ erfährt, soll der Bremer Lloyd, falls ihm 
Ne beiden subbentionirten Dampferlinien übertragen 
verden, sechs neue Schiffe, die in Deutschland ge—⸗ 
daut werden, einzustellen beabsichtigen. 
Louise Michel hat in der That ihre Be— 
znadigung zurückgewiesen und erllärt, sie würde 
ine solche nur annehmen lönnen, wenn eine auf 
ille inhaftirien Anarchisten sich erstreckende Amnestie 
erlassen würde. Sie hat dies in einem Schreiben 
an den Minister des Innern gethan, welches den 
Beweid lieferi, dah ein Irrenhaͤus ein weit zwed · 
maßigerer Aufenthalt fur sie wäre, als ein Ge— 
angniß. Von einer Reibe anderer volitischer Ver⸗ 
Samstag, 9. Mai 1885. 
20. Jahrg. 
mriheilter, an deren Begnadigung übrigens die 
Regierung gar nicht gedacht hatte, hat die letztere 
griefe erhalten, in welchen dieselben theilweise 
inter hinzufügen der gröbsten Beleidigungen erklären, 
daß fie eine Begnadigung nicht annehmen würden. 
Es begreift sich, daß unter solchen Umständen der 
ßräfident der Republik kaum in der Lage ist, die 
Zunst der Begnadigung Leuten zuzuwenden, welche 
eine solche schon im voraus in so beleidigender Weise 
zurüchftoßen. Dem Vernehmen nach hat auch die 
RKegierung den Gedanken, dem Präsidenten der 
Republik Begnadigungserlasse zu unterbreiten, voll· 
kommen wieder fallen lassen; 
wird am Sonntag den 17. Mai, Vormittags 10 
Uhr, im Restaurationslokale des Conversations- 
hauses in Baden⸗Baden eroöffnet werden. Die Be⸗ 
rathungen sind streng vertrauliche. Mit Bezug auf 
die bevorstehende Delegirtenversammlung erörtert 
die „Bad. Corr.“ die Partei⸗Aufgabe und schreibt: 
„Sie wird nicht die Aufgabe vorfinden, neue oder 
zuch nur abändernde Programmsätze zu schaffen. 
Die Heidelberger Feststellungen bezeichnen die Grund⸗ 
züge und Ziele der Partei mit deutlicher Bestimmt⸗ 
heit. Die Aufgabe des Tages wird sein, die be⸗ 
stehende, an manchen Mängeln und Unzulänglich- 
leiten leidende Partei-Organisation zu verbessern, 
sie praktisch wirksamer, tiefer in die Volksmasse 
eingreifend. zu gestalten.“ 
Deutsches Reich. 
Berlin, 6. Mai. Der Reichstag fuhr in 
der Berathung der Börsensteuervorlage fort. Staats 
ekreiär v. Burchard bezeichnet die Anträge 
Richter (Aufhebung des Petroleumzolles) und Kayser 
Aufhebung der Salzsteuer) als unannehmbar und 
der Tendenz der Steuerreform von 1878, durch 
Finnahmen aus indirekten Abgaben die direkten, 
aicht die indirekten Abgaben zu erleichtern, wider · 
prechend. Ueberdies betrage die Einnahme aus 
dem Petroleum 22, aus der Salzsteuer 41 Mil- 
lionen, während aus der Börsensteuer nicht an⸗ 
nähernd ein solcher Betrag erwartbar sei. Staats— 
jekreiär v. Boötticher verweift dem Antrag Kayser 
gegenüber auf die Sozialreform der Regierung. 
Ddie Mahnung seitens der Sozialisten sei ungerecht! 
fertigt. Richter und v. Vollmar sprechen für, 
Leuschner und d. Helldorf⸗Bedra gegen die Anträge. 
welche hiernach abgelehnt werden. Der Rest des 
Borsensieuer ⸗ Antrags wurde in der Kommissions 
tassung genehmigt. 
Berlin, 6. Mai. Das Herrenhaus hat heute, 
wie vorauszufehen gewesen, das Lehrerpensionsgesetz 
wie es aus dem Abgeordnetenhause hervorgegangen, 
in zwei wichtigen Punkten abgeandert. Es hat den 
Staatsbeitrag von 750 auf 600 M. herabgesetz! 
und die Heranziehung des Diensteinkommens der 
Nachfolger zur Pensionslast zu einem gewissen Theilt 
beschlossen. Das Gesetz geht sonach wieder an't 
Abgeordnetenhaus zuruͤch, und das letztere befinde! 
sich in der Zwangslage, entweder die Vorlage nach 
den Beschlüssen des Herrenhauses anzunehmen oder 
das Geseh ganz scheilern zu lassen. Wahrscheinlich 
vird sich das Äbgeordnetenhaus in ersterem Sinne 
entscheiden. Die Zustimmung der Regierung zu 
dem Gesetz in der Fafsung des Herrenhaufes kann 
nicht bezweifelt werden. 
Berlin, 7. Mai. Der Reichstag ge— 
aehmigte in zweiter Lesung die Vorlage, betreffend 
— 
der Regierungeborlage und überwies die Resolution 
Struckmann⸗Ofterer, betreffend die Beschränkung 
»es Kleinhandels mit Branntwein an die Zollkom⸗ 
mission. Staatssekretär Burchard hatte gegen 
die Resolutionen gesprochen. 
Berlin, 7 Mai. Der Bundesrath nahm 
den Antrag Bayerns, beir. den Entwurf des Ge⸗ 
etzes über die Unzulässigkeit der gerichtlichen Be⸗ 
chlagnahme von Eisenbahn- und Fdahrbetriebsma⸗ 
ctial in erster Lesung an, genehmigte den Handels 
ind Schifffahrtsvertrag mit der südafrikanischen 
Republii, der Meistbegünstigungsconvention mit 
hirma und gab dem Gesetentwurf wegen des Nach⸗ 
rags· Etats seine Zustimmung. 
Mannheim, 5. Mai. Die Delegirten⸗ 
Bersammlung der nationalen und liberalen Varten 
Ausland. 
New⸗York, 4. Mai. Unter den Steinbruch⸗ 
arbeitern in Lemont, Illinois, ist ein Strike 
entstanden. Die Arbeiter versammelten sich heute 
und nahmen eine drohende Haltung an, welche 
das Einschreiten von Milikär nothwendig machte. 
Die Truppen feuerten schließlich auf die Aufrührer, 
vobei zwei Personen getödtet und mehrere andere 
erwundet wurden. — Ueber den Aufstand der 
Mischlinge im nordwestlichen Canada wird unterm 
4. d. aus Ottawa gemeldet, die canadasche Regie⸗ 
rung habe ein Telegramm empfangen, demzufolge 
Riel's Emissäre in ihrem Bestreben die Indianer 
und Mischlinge im Distrikk von Qu'Appelle zur 
Rebellion aufzuwiegeln, keinen Erfolg hatten und 
in niedergeschlagener Stimmung in das Lager 
Riel's zurückgekehrt find. Man glaubt, daß Massen⸗ 
desertionen unter Riel's Streitkraft ftattfinden 
werden, und wird ein baldiger Zusammenbruch 
der Rebellion erwartet. 
Aus Tientsin, 8. Mai, wird der „Times“ 
lelegraphirt: „Der Streit zwische China und 
Rußland wegen der Mantschureigrenze wird 
akut. Seit 1860 werden gegen die Grenze, wie 
sie mit General Ignatieff vereinbart und in den 
russischen Karten angedeutet worden, Eingriffe ver⸗ 
übt. In Folge der Spärlichkeit der Bevölkerung 
und der Nachlässigleit der chinesischen Beamten ist 
die Grenze zwischen den Flüssen Eumen und Amur 
in westlicher Richtung verschoben worden. Die 
hinesische Regierung hat wiederholt versucht, fie 
zu berichtigen, indem sie Kommissäre an Ort und 
Stelle sandte; aber die russischen Kommissäre sind 
niemals erschienen. Jetzt hat China wiederum den 
Mandarin Wata⸗Chang ernannt, der in Gemein⸗ 
chaft mit den russischen Kommissären die Grenze 
feststellen soll. Wenn dies gleichfalls mißlingt, ist 
Thina vorbereitet, seine Ansprüche gegen Rußland 
gewaltsam zur Geltung zu bringen. 
Eokale und pfalzische Nachrichten. 
P. St. Ingbert. Nächsten Sonntag, den 
10. ds. M. gibt der Verein, Gemüthlichkeit“ seinen 
Mitgliedern im Horst'schen Saale eine Unterhaltung. 
Zur Aufführung kommen verschiedene Gesangs und 
Instrumentalpiecen. Als Theaterstück wurde ge⸗ 
vählt: „Wenn man im Dunkeln küßt!“ Wir 
voffen, daß die Mitglieder des Vereins, dessen vor⸗ 
rreffliche Leistungen ja bekannt sind, einen gemüth⸗ 
lichen Abend verleben. 
*St. In gbert, 8. Mai. Heute Mittag 
hatte das 17/2 jaährige Madchen des Schmelzarbeiters 
Jakob Lucas in Hassel das Unglück, unter das 
2spann. Fuhrwerk der Herren Gebt. Dörr vom 
Triebscheiderhof zu kommen, wobei ein Wagenrad