Gefühl der Eiusauieit beschleichen, jeder Ge⸗
genstand, auf den sein Auge fallt, ist ja ein
Aler Bekannter, fast an jeden knüpft sich die
Erinnerung an ein gutes Geschäft, an eine
Ecsparniß. Aber der, welcher plötzlich seine
Armuth in Reichthum verwandelt sieht, kommt
sich vor wie ein Dieb im fremden Obstgarten.
Fr sieht die herrlichsten Früchte, er darf nur
zugreifen, sie sind sein Eigenthum, aber hat
er sie im Schweiße seines Angesichts erwor—
ben? Hat er ein Recht auf sie — —
Baͤrbara sang mit leiser Stimme ein
Liedchen vor sich hin. Auch das war ein
Bekaunter, ein guter, alter Freund, der Zeuge
mancher frohen und mancher; trüben Stunde.
Der Kanarienvogel mochte auch diesen Freund
kennen, er grüßte ihn mit jeinen schönsten
Weisen und mischte sein Zwitschern und Schmet⸗
lern in die helle, liebliche Stimme des singen⸗
den Mädchens.
Plötzlich ward die Thüre geöffnet, leise,
ein Lächeln auf den Leppen, tral der Baron
ein. Barbara stand auf und eilte in seine
Arme.
„So halte ich Dich! So bist Du mein,
auf ewig mein, und keine Macht soll Dich
mir entreißen!“ sagte der junge Mann, in⸗
dem er das erglühende Mädchen fest an üch
drückte.
„Auf ewig!“ flüsterte Barbara, „keine
Macht soll Dich von mir reißen J
Der Barou setzte sich in einen Sessel,
Barbara nahm zu seinen Füßen auf einem
Tabouret Platz.
„Ich habe Dich so früh nicht erwartet.“
sagte sie, „Du verfsprachst erst gegen Mittag
zu kommen und ich glaubte deßhalb, meine
Sehnsucht nach Dir belämpfen zu müssen.“
Der junge Mann legte leise seine Hand
auf das seidene gelockte Haar der Geliebten.
„Würdest Du mich auch dann noch lieben,
venn ich nicht das wäre, was ich scheine ?*
fragte er, und seine Stimme zitterte. als er
diese Frage stellte.
„Wie Du nur fragen magst! Habe ich
Dich nicht geliebt vom ersten Augenblicke an,
in welchem ich Dich sah? Frage nicht so
mein Geliebter, Dein bin ich, Dein will ich
bleiben, und nur der Tod soll Dich von
mir scheiden!“
„Und wenn ich nun nicht der Baron
bon Westen wäre?“
„So bleibst Du doch mein Geliebter!“
Und wenn ich ein Verbrecher wäre, der
keine Stätte findet, wo er sein verfehmtes
haupt betten darf ?“
„So ziehe ich mit Dir hinaus in das
Elend, in die Verbannung, denn nur da,
wo ich in Dein Auge schaue, in Deinen Ar⸗
men ruhe, ist meine Heimath.“ —
Namenlose Seligkeit leuchtete in den
Augen des jungen Mannes. Er drückte einen
duß auf die weichen Locken und blickte lange
ind tief in die seelenvollen Augen des Mäd—
hens. „So hoöre denn,“ versetzte er, „und
entscheide. Du weißt, daß der Bruder Deines
rüheren Verlobten, Georg Kraus, wegen Un—
lerschlagung zu drei Jahren Zuchthaus ver⸗
urtheilt wurde. Er entfloh aus dem Gefäng-
nisse, ging nach Amerika und kehrte von dort
uinter dem Namen eines Baron von Westen
zurück, um an denen, die sein Leben vergiftet,
die ihn seiner Ehre beraubt hatten, Rache zu
nehmen. Er sah Dich — —“
Den Schluß kenns ich,“ sagte Barbara,
ihn unterbrechedn.
„Nun weißt Du, wer ich bin, ein ent⸗
sprungener Verbrecher, der nichts sein nennt, als
das nackte Leben und den Haß eines Bruders —“
„Daneben aber auch die Liebe eines
Mädchens!“ nahm Barbara das Wort.
„Glaubst Du, Dein Geständniß könne mich
hankend machen ? — Ich weiß, weßhalb Du
ein Verbrecher wurdest, Deine Mutter hat es
mir ja oft gesagt. Ich folge Dir, wohin Du
auch gehen magst. Das ist meine Entscheidung!“
Georg drückte schweigend das liebeglühende
Mädchen an sein Herz. Es war einer jener
feierlichen erhabenen Augenblicke, wie sie nur
felten im Menschenleben vorlommen, in welchen
das Herz für die Seligkeit, die es durch⸗
strömt, keine Worte findet. — „Wärst Du
mir früher begegnet,“ murmelte er leise, „ich
hätte den Glauben an Liebe und Menschheit
aiemals verloren!“
Barbara war ebenfalls in tiefes Sinnen
versunken. Plötzlich fuhr sie zusammen.
„Was ist ?“ fragte Georg erschreckt.
„Ich dachte daran, wenn Hugo zurück⸗
kehrte und Dich bei mir fände,“ entgegnete